Trainingslagerfallen
Auch wenn der Winter allmählich zu schwächeln beginnt, und die Trainingsbekleidung bereits um eine Schicht reduziert wurde, ist jetzt für einige die Zeit gekommen, um zu Trainingszwecken in den sonnigen Süden zu flüchten. Damit dabei keine gröberen Fehler begangen werden, möchte ich vor ein paar Trainingslagerfallen warnen:
1. Die Vorher-Nachher-Falle:
Ein Trainingslager muss optimal in die Jahresperiodisierung integriert werden. Die Regenerationsprozesse des vorangegangenen Vierwochenzyklus sollten abgeschlossen sein. Daher sollte dem Trainingslager eine Ruhewoche vorausgehen. Nur so ist eine optimale Leistungsbereitschaft für den kommenden Trainingsblock gewährleistet. Genauso soll nach dem Trainingsblock eine Ruhewoche folgen, um die Superkompensation optimal zu gestalten.
2. Die Euphoriefalle:
Ein Hauptfehler wird sehr oft gleich zu Beginn des Aufenthalts gemacht: Hoch motiviert durch Sonnenschein, plötzlich unendlich scheinendem Zeitbudget und scheinbar ständig trainierenden Menschen um sich, sollte man nicht gleich an den ersten Tagen sein "Pulver verschießen". Vielmehr sollte man die ersten 1-2 Tage ruhig angehen. Ich habe den sogenannten Akklimatisierungslauf zu meiner Einstiegseinheit erkoren. Dabei gestalte ich einen mittellangen Lauf sehr extensiv, beobachte meinen Puls sehr genau und erkunde die Infrastruktur der neuen Umgebung. Dabei lege ich auch die eine oder andere Gehpause ein, um mir etwas genauer anzusehen. Das ist sicherlich am ersten Tag die perfekte Alternative zum "Ausscheidungslauf mit der Trainingsgruppe" oder zur "Fünfstundenausfahrt mit Ortstafelsprints".
3. Die Planungsfalle:
Noch wichtiger als im normalem Trainingsbetrieb ist natürlich im Trainingslager die perfekte Abstimmung von Intensität und Umfang und das genaue Einplanen von Regenerationstagen. Denn wir wissen ja, um die Leistung zu steigern, müssen Ruhetage eingeplant werden, damit der Körper die Möglichkeit hat, sozusagen das "Trainierte zu verdauen". Fachlich korrekt formuliert heißt das: Auf katabole (abbauende) Phasen müssen anabole (aufbauende) Phasen folgen. Konkret bedeutet das: Man nimmt die Gesamtdauer des Trainingsaufenthaltes abzüglich Ankunfts- und Abflugtages, und unterteilt sie in Viertagesabschnitte. Auf drei Belastungstage folgt ein Ruhetag.
4. Die Buffetfalle:
Halbpension mit Abendbuffet ist die wohl beliebteste Verpflegungsvariante auf Trainingslagern. Allerdings auch darin verbergen sich Gefahren: Auch das gnadenlose in sich Hineinschaufeln am abendlichen Buffet - ich spreche hier aus eigener Erfahrung - ist ebenfalls nicht zu empfehlen, denn das Völlegefühl kann zu Verdauungsproblemen und Schlafstörungen führen, wodurch natürlich die Regenerationsprozesse beeinträchtigt werden. Man sollte neben einem ausgiebigsten Frühstück versuchen über den Tag verteilt mehrere Mahlzeiten zu konsumieren. Auf diese Weise kann ein stabiles Leistungsniveau gehalten werden. Langkettige Kohlehydrate mit hohem Ballaststoffanteil (Vollkornprodukte) sind Weißmehlprodukten vorzuziehen. Auch hochwertige pflanzliche Fette aus Nüssen und hochwertigen Ölen sind als Energielieferant sehr wichtig. Kohlehydrate, Fette und Proteine sollten in etwa im Verhältnis 40:30:30 repräsentiert sein.
5. Die Gruppendruckfalle:
Das ist vielleicht das heißeste Eisen, vielleicht sogar ein Tabuthema unter Teilnehmern an Trainingslagern: Ich gehe davon aus, dass jemand der Zeit und Geld in ein Trainingslager investiert, sein Training leistungsdiagnostisch steuert. Daher sollten Lauf- und Radcomputer nicht als Statussymbol spazieren getragen werden, sondern dazu dienen, die Trainingsbereiche akribisch zu kontrollieren. Der Einhaltung der Intensitätsbereiche kommt in Phasen mit sehr hohen Umfängen eine noch größere Bedeutung zu. Das erfordert natürlich gerade beim Training in der Gruppe ein gehöriges Maß an Disziplin und Courage. Wem fällt es schon leicht in einer Gruppe zu sagen: „Leute, das ist mir zu schnell, ich mach mein eigenes Ding." Oder vielleicht noch schwieriger ist es, die gemütliche Gruppe nach vorne zu verlassen, weil das Tempo in den trainingsunwirksamen Bereich abgefallen ist. Das soll nicht heißen, dass man sich dem Eremitendasein verschreiben soll und die Trainingspartner nur mehr beim Essen sieht. Allerdings wäre es nicht zielführend, wenn man zwei Wochen entweder ständig am Limit trainiert oder sich aufgrund der zu niedrigen Intensität (meist beim Radfahren in der Gruppe) ständig in einem physiologisch trainingsunwirksamen Bereich bewegt.
6. Die Abschlussfalle:
Ganz wichtig: Der Abschlusstag soll bereits die regenerativen Prozesse einleiten, zumal uns in heimischen Gefilden aller Voraussicht nach wieder härtere klimatische Bedingungen erwarten. D.h. man sollte nicht völlig erschöpft vom Training und Flug zu Hause ankommen, ansonsten ist eine Verkühlung vorprogrammiert. Daraus ergibt sich, dass die unter Punkt 2. beschriebenen „Trainingsvarianten" oder die bei Radfahrern beliebte „Königsetappe" am letzten Tag des Trainingslagers kontraindiziert sind.